In der Schweiz sind seit 1. Januar 2015 überarbeitete Brandschutzvorschriften in Kraft. Diese verzichten auf eine Sonderstellung für den Baustoff Holz und stellen ihn auf die gleiche Stufe wie andere Baustoffe. Das eröffnet Bauherren, Investoren und Architekten neue Möglichkeiten, grosse Gebäude in Holzbauweise umzusetzen. Werfen Sie mit uns einen Blick in die Geschichte und in die Zukunft unseres perspektivenreichen Baustoffs.

Seit jeher sind Menschen vom Feuer fasziniert. Die natürlich entstandenen Feuer als direkte Folge von Vulkanausbrüchen oder Blitzeinschlägen waren gefährlich und unkontrollierbar. Erst vor rund 400'000 - 700'000 Jahren begannen die Menschen, Feuer aus den natürlichen Quellen als Wärme- und Lichtspender, aber auch als Schutz vor Raubtieren, gezielt zu nutzen. Danach dauerte es erneut bis etwa 8000 v.Chr. für den nächsten grossen Fortschritt: Feuer selber entzünden. Erst jetzt gelang die Kontrolle des Feuers, was als einer der wichtigsten Zivilisationsmotoren gilt. Im Mittelalter folgten dann leider auch die ersten bekannten, grösseren Stadtbrände. Nach dem grossen Feuer von London 1666, bei dem 13'200 Häuser vernichtet wurden, gründete man die erste Feuerversicherung und erste komplette Bauvorschriften. In der Schweiz sind vor allem die beiden Brände von 1405 in Bern bekannt, wo über 650 Häuser vernichtet wurden, 1861 traf es Glarus, wo zwei Drittel der Stadt ein Opfer der Flammen wurden und 1879 sowie 1891 wütetet das Feuer in Meiringen, wo über 100 Gebäude zerstört wurden.

1903: Einheitliche Brandschutzvorschriften für die Schweiz

Im Jahre 1903 wurde in der Schweiz die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) gegründet. Weil der Brandschutz Polizeirecht ist, liegt er in der kantonalen Hoheit. Deshalb dauerte es weitere 90 Jahre, bis 1993 die ersten gesamtschweizerischen Brandschutzvorschriften erschienen. Diese, für den Holzbau noch sehr restriktiven Vorschriften, erlaubten innerhalb eines Standardkonzepts nur zweigeschossige Bauten in Holzbauweise.

2003: Es geht aufwärts - der Holzbau erobert die Mehrgeschossigkeit

Die Lignum, Dachorganisation der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft, hat das mehrgeschossige Bauen frühzeitig als Potential für den Holzbau erkannt und intensive Forschungsarbeit betrieben. Diese hat die Brandschutznorm 2003 hervor gebracht. 2005 in Kraft getreten, war es erstmals möglich, bis zu sechsgeschossige Gebäude in Holzbauweise für Wohn- und Büro- und Schulnutzung zu erstellen. Die neuen Möglichkeiten wurden innert kurzer Zeit vom Markt aufgenommen, wie zum Beispiel das Mehrfamilienhaus Holzhausen.

Das erste sechsgeschossige Mehrfamilienhaus aus Holz in der Schweiz in Steinhausen, Zug

Das erste sechsgeschossige Mehrfamilienhaus aus Holz in der Schweiz in Steinhausen, Zug

Es war das erste sechsgeschossige Wohnhaus der Schweiz in Holzbauweise und wurde 2006 von der Renggli AG gemeinsam mit dem Architekturbüro Scheitlin Syfrig AG aus Luzern erstellt. Daraufhin folgten in der ganzen Schweiz Projekte für einzelne Gebäude oder komplette Überbauungen mit vier bis sechs Geschossen. Die Holzbaubranche konnte bei diesen Projekten ihre Leistungsfähigkeit und ihr Qualitätsbewusstsein unter Beweis stellen.

2015: neue Brandschutzvorschriften

Per 1. Januar 2015 ist nun die neue Generation der Brandschutzvorschriften in Kraft getreten. Aus Sicht des Holzbaus sind diese geradezu revolutionär, denn Holz wird als Baustoff nicht mehr mit einer Sonderregelung behandelt. Grund dafür sind neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, welche nachweisen, dass nicht die Brennbarkeit eines Baustoffs, sondern die brandschutztechnisch korrekte Ausführung der Konstruktion das massgebende Kriterium für das Brandverhalten ist.

Dem Personenschutz wird weiterhin die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wie bisher. Beim Sachwertschutz wurde das Sicherheitsniveau bewusst gesenkt, um eine wirtschaftliche Optimierung zu erreichen. Dies auf Grundlage des ETH-Forschungsprojekts «Wirtschaftliche Optimierungen im vorbeugenden Brandschutz».

Anforderungen

Die brandschutztechnischen Anforderungen werden auf Grund der Nutzung und der Gebäudegeometrie bestimmt. Die Gebäudehöhe löst die Anzahl Geschosse als relevante Grösse ab. Es gibt folgende Höhenkategorien:

  • Gebäude geringer Höhe (bis 11 m Gesamthöhe, entspricht ca. 3 bis 4 Stockwerken)
  • Gebäude mittlerer Höhe (bis 30 m Gesamthöhe, entspricht ca. 10 bis 13 Stockwerken)
  • Hochhäuser (bis 100 m Gesamthöhe, entspricht ca. 30 - 35 Stockwerken)

Zusätzlich gibt es weitere Kategorien für kleine Gebäude bei welchen reduzierte Anforderungen definiert werden können.

  • Einfamilienhäuser
  • Gebäude mit geringen Abmessungen: Gebäude geringer Höhe mit maximal zwei Geschossen über Terrain und maximal einem Untergeschoss. Die Summe der Geschossflächen darf maximal 600 m2 betragen. Mit Ausnahme von einer Wohnung ist die Nutzung für schlafende Personen nicht möglich.
  • Nebenbauten

Die Einschränkung für Holzbauten bezüglich Nutzung zum Beispiel bei Krankenhäusern wurden beseitigt. Neu könnnen auch diese Gebäude in mehrgeschossiger Holzbauweise erstellt werden.

Neu sind brandschutztechnisch robuste Holzkonstruktionen, welche mit nicht brennbaren Bekleidungen geschützt sind, der nichtbrennbaren Bauweise (Stahlbeton, Mauerwerk und Stahl) gleichgestellt. Somit sind auch Treppenhäuser in Holzbauweise möglich. Diese können gemeinsam mit dem restlichen Gebäude als vorgefertigte Elemente aufgerichtet werden.

Baustoffe

Die Baustoffe werden neu in vier Brandverhaltensgruppen eingeteilt:

  1. RF1 - Kein Brandbeitrag
  2. RF2 - Geringer Brandbeitrag
  3. RF3 - Zulässiger Brandbeitrag
  4. RF4 - Unzulässiger Brandbeitrag

 

Über die Brandkennziffer oder die Klassifikation nach europäischen Normen kann ein Baustoff der Brandverhaltensgruppe zugeordnet werden.

Qualitätssicherung

Um die brandschutztechnisch korrekte Umsetzung der Konstruktion bis ins Detail zu gewährleisten, setzt die VKF nicht auf restriktive Vorschriften und stark eingeschränkte Möglichkeiten, sondern auf Qualitätssicherung, Ausbildung und Eigenverantwortung. Dass der Qualitätsicherung im Brandschutz eine deutlich höhere Bedeutung als bisher zugemessen wird, ist auch in der neuen Brandschutzrichtlinie «Qualitätssicherung im Brandschutz» ersichtlich. Alle Bauwerke werden einer von vier Qualitätssicherungsstufen (QSS) zugeordnet. Damit werden auch Anforderungen an die beteiligten Personen und Prozesse definiert.

Holzbauten geringer Höhe sind vorwiegend der QSS 1 zugeordnet, Bauwerke mittlerer Höhe in Holzbauweise der QSS 2. Die Aufgaben des QS Verantwortlichen Brandschutz in der Projektorganisation QSS2 werden von einem Brandschutzfachmann VKF oder einer Personen mit gleichwertiger Ausbildung wahrgenommen.

Fazit

Mit grossvolumigen Projekten, wie zum Beispiel die sechsgeschossigen Holzbauten der Überbauung Freilager in Zürich, konnte die Schweizer Holzwirtschaft in den letzten zehn Jahren ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen.

Visualisierung sechgeschossiges Mehrfamilienhaus aus Holz im Freilager Zürich-Albisrieden

Rechts im Bild ist eines der drei sechsgeschossigen Mehrfamilienhäuser im Freilager, Zürich
Copyright: Business Images AG, Baden

Das Potential für den mehrgeschossigen Holzbau ist jedoch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Durch die neuen Anwendungsmöglichkeiten der Vorschriftengeneration 2015 kann dieses Potential für Bauherren, Investoren, Planer und die Holzwirtschaft nun genutzt werden.

Projekte wie von Markus Gabriel in seinem Blogbeitrag «Eines steht, eines ist in Planung: Hochhäuser aus Holz» vorgestellt, sind nach Anpassung an die aktuellen Brandschutzvorschriften auch in der Schweiz realisierbar.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben es, das Know-How und die technischen Möglichkeiten sind vorhanden. Nun ist es an allen Beteiligten, Bauherren, Investoren, Planern und Unternehmen, gemeinsam Gelegenheiten zu schaffen.

Mehr zu den neuen Brandschutzvorschriften

PDF-Icon Fachartikel von Lignum (PDF, 10 Seiten)

Link-Icon Website der VKF - Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen 

Kommentare zu
«Von Feuer und Holz – die neue Gleichberechtigung im Brandschutz»

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar