Im August 2016 wurde ein neues Energielabel lanciert. Das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz stellte seinen neuen Standard SNBS 2.0 vor, der auf dem Label Minergie® basiert. Auch dieses, seit fast 20 Jahren bestehende Label, wird aktuell überarbeitet. Wir haben deshalb am 20. September 2016 fünf Experten zum Fachevent «Energie-Label Schweiz – Theorie und Praxis» nach Schötz geholt, um unseren Gästen die Neuerungen und die Potenziale für mehr Energieeffizienz im Schweizer Gebäudepark vorzustellen. Dabei haben wir sie gefragt, welche drei Lösungsansätze ihrer Meinung nach die Nachhaltigkeit in der Schweiz voranbringen können.
1. Elvira Bieri, Geschäftsführerin Schweiz Société Générale de Surveillance SGS
«Wir sind in der Schweiz und auf der Welt wirtschaftsgetrieben. Wenn man es bei den Kosten spürt, hat man die grösste Motivation, etwas zu verändern. Dieser finanzielle Aspekt ist sicher der wesentlichste. Der zweite ist, wenn das Gesetz greift und man etwas unternehmen muss. Dieser Ansatz ist der weniger sympathische, aber sicher der effektivste, vor allem, wenn der Vollzug funktioniert. Der dritte, und das ist meiner Meinung nach der sympathischste, ist, wenn man etwas von sich aus unternimmt, z.B. wenn sich eine Firma aus Reputationsgründen der Nachhaltigkeit verschreibt, weil es ihr ein echtes Anliegen ist und sie aus diesem intrinsischen Antrieb nachhaltig agiert.»
2. Franz Wüest, Kantonsrat Kanton Luzern
«Ich würde das Thema Nachhaltigkeit nicht nur der Politik überlassen, sondern gerade auch Unternehmern. Ein zweiter Punkt ist, dass wir das «Denkverbot» aufheben müssen. Leider geht es uns zu gut, der Druck ist zu wenig hoch und dadurch findet zu wenig Entwicklung statt.
Des Weiteren haben wir grenzenloses Potential in der Mobilität. Hier muss man aufpassen in Bezug auf die Raumplanung. Denn diese wird oft nicht zu Ende gedacht und nicht im grossen Zusammenhang geplant, wodurch sehr viel Energie verbraucht wird.»
3. Andreas Meyer Primavesi, Geschäftsführer Minergie Schweiz
«Zunächst müssen wir die bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten, z.B. im Bauwesen und in der Mobilität, vollends ausschöpfen. Denn da ist massiv ungenutztes Potential vorhanden. Damit können wir noch lange liberal agieren und müssen nicht über Gesetze und Verbote eingreifen. Das zweite ist der Appell an die Eigenverantwortung der Bürger. Man kann sehr viel tun mit passender Information oder Anreizen, sich nachhaltig zu verhalten. Der dritte Punkt ist, dass wir nicht zu lokal denken. Ich meine, dass die grossen Herausforderungen globaler Natur sind. Denn im Unterschied zu Feinstaub können wir den Klimawandel nicht lokal lösen. Das sind zwar «einfache» Worte, aber es ist nicht einfach, global zu denken und zu handeln.»
4. Prof. Adrian Altenburger, Leiter Abteilung Gebäudetechnik HSLU, Vizepräsident SIA
«Als Lösung sehe ich im Bauwesen vor allem die Transformation des Bestandes. Das heisst der bestehende Gebäudepark in der Schweiz ist unsere Hauptaufgabe, nicht die Neubauten, und damit verbunden natürlich auch die Substitution der fossilen Energieträger. Besonders wichtig ist die Dezentralisierung, also lokale, Stromerzeugung mit erneuerbaren Energieträgern wie Solarenergie. Wobei der direkte Eigenverbrauch gesteigert werden muss und nicht nur eine Netzeinspeisung stattfinden darf. Hier muss die lokale oder regionale arealseitige Speicherung angegangen werden. Das dritte Element ist die Digitalisierung der Gebäude, vielleicht auch im Zusammenhang mit der Mobilität. Denkt man z.B. an selbstfahrende Fahrzeuge, dann kann man sich fragen, ob die klassischen Vorgaben mit Tiefgaragenstellplätzen in den Gebäuden in 10 bis 15 Jahren noch ein Thema sind.»
5. Max Renggli, CEO Renggli AG
«Wir benötigen vor allem eine Konzentration auf eine strategische Ausrichtung, die national greift, und nicht möglichst viele, sondern sich ergänzende Labels, die von der Bauherrschaft einfach nachvollzogen und von den Planern umgesetzt werden können. Zweitens bin ich überzeugt, dass wir in der Schweiz über viel Know-how verfügen. Dies muss besser vernetzt in die Anwendung gebracht werden. Und drittens nimmt über Industrie 4.0 die Gesamtbetrachtung der Gebäude künftig eine wichtige Rolle ein. Es geht damit nicht einfach mehr um das Erstellen von Gebäuden, sondern vor allem um deren Unterhalt und die Wirtschaftlichkeit während der Betriebszeit. Hier sehe ich grosses Potential für mehr Nachhaltigkeit.»
Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten drei Lösungsansätze, welche die Schweiz beim Thema Nachhaltigkeit voranbringen?
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