Lieferengpässe, steigende Preise und eine sich abschwächende Nachfrage, dazu der Ukraine-Krieg und der Fachkräftemangel – die Herausforderungen sind gerade sehr zahlreich. Auch die Baubranche leidet, trotz steigender Bauinvestitionen. Doch ich sehe zwei grosse Chance, wie wir das Beste aus diesen Rahmenbedingungen machen können.
Dieser Beitrag basiert auf meinem Referat an der 53. S-WIN-Tagung im Oktober 2022 in Weinfelden. Wir haben den Beitrag gekürzt sowie aktualisiert und dürfen ihn hier veröffentlichen.
Gesamtwirtschaftlich herausfordernde Situation
Die Wirtschaftsnachrichten in den letzten Monaten waren geprägt von negativen Schlagzeilen: Lieferengpässe, steigende Preise und eine sich abschwächende Nachfrage belasten die Wirtschaftsleistung. Mit dem Ukraine-Krieg und den daraufhin erlassenen Sanktionen, den politischen Spannungen und Unsicherheiten ist die Welt im Krisenmodus. Steigende Energie- und Rohstoffpreise verstärken den Preisanstieg. Lieferengpässe, Transportprobleme, Inflation und der Fachkräftemangel verhindern zusätzlich einen kräftigen und nachhaltigen Wirtschaftsschub.
Bauwirtschaft: Ruhe vor dem Sturm?
Die Bauinvestitionen in der Schweiz haben zugelegt. Im Zuge der Erholung von der Corona-Krise führte der Aufschwung zu einem Nachfrageschub für Wohnimmobilien und einer Zunahme der Bauinvestitionen. Das KOF rechnet in den ersten drei Quartalen für 2023 mit einer Steigerung der nominalen Bauinvestitionen in der Schweiz. Die Geschäfts- und Auftragslage ist also gut. Nebst dem Fachkräftemangel sorgt jedoch die Preisdynamik nach wie vor für Unsicherheit(1).
Erste Chance: Energetische Sanierungen, Um- und Erweiterungsbauten
Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat in ihrer Medienmitteilung vom 19. Juli 2022 ausgewiesen, dass die Investitionen in Neubauprojekte im Jahresvergleich abnahmen, gleichzeitig aber die Investitionen in Umbauprojekte um 2,4 Prozent gestiegen sind(2).
Wenn man die Zahlen des Bundesamtes für Statistik konsultiert, stellt man fest, dass in der Schweiz über die Hälfte aller Gebäude mit Wohnnutzung Einfamilienhäuser sind. Diese Situation widerspiegelt auch die Gebäudestruktur nach der Anzahl Geschosse: 88 Prozent der Einfamilienhäuser und 77 Prozent aller Gebäude mit Wohnnutzung haben zwei oder drei Geschosse. Oder auch: über 90 Prozent der Gebäude mit Wohnnutzung sind weniger als fünf Geschosse hoch. Allerdings ist der Trend in Richtung «mehrgeschossiges Bauen» klar erkennbar. Die Anzahl der neu erstellen Einfamilienhäuser sinkt in ihrer absoluten Zahl wie auch im Verhältnis zu allen anderen Gebäudearten deutlich, während dem das mehrgeschossige Segment zunimmt. Allerdings zeigen die Statistiken immer noch einen wenig verdichteten Wohnraum: In mehr als 75 Prozent der Gebäude befinden sich nur eine oder zwei Wohnungen und in nur fünf Prozent der Gebäude gibt es heute zehn oder mehr Wohnungen.
Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) wies 2022 aus, dass seit 2012 die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in den Bauzonen von 7,4 auf 8,3 Millionen gewachsen ist(3). Damit leben deutlich mehr Personen auf einer praktisch konstanten Fläche. Die durchschnittliche Bauzonenfläche sinkt von 309 auf 282 m2 pro Einwohner. Kurzum: Die Bauzonen sind dichter überbaut. Die wachsende Bevölkerung der Schweiz kommt also vor allem innerhalb der bereits bebauten Gebiete unter. Das seit 2014 verschärfte Raumplanungsgesetz zwingt die Kantone deshalb, zu grosse Bauzonen zu verkleinern und durch die «Verdichtung im Inneren» Raum zu schaffen. So etwa durch die Errichtung von höheren Ersatzneubauten – Stichwort Aufstockung – oder durch die Umnutzung von Lagerplätzen oder stillgelegten Industriearealen.
Weit über die Hälfte der Immobilien in der Schweiz sind älter als 40 Jahre. Deshalb verwundert es nicht, dass rund 1,5 Millionen Häuser energetisch sanierungsbedürftig sind. Die Sanierungsquote hingegen ist tief: Aktuell liegt sie bei nur rund 1 Prozent jährlich(4). Um diesem Sanierungsstau entgegenzutreten, haben Bund und Kantone verschiedene Massnahmen lanciert. Die «Energiestrategie 2050» des Bundes sieht beispielsweise vor, dass bis ins Jahr 2035 der Schweizer Energiebedarf um 43 und der Strombedarf um 13 Prozent gesenkt werden müssen. Für bauliche Massnahmen, die den Energieverbrauch oder CO2-Ausstoss der Immobilie verringern, stellt der Bund Fördermassnahmen und Subventionen zur Verfügung.
Immer mehr rückt die gesamte Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Rückbau und Entsorgung des Gebäudes aufgewendet wurde, in den Fokus. Diese gesamthaft aufgewendete «graue Energie» ist ein wesentlicher Faktor bei der Gesamtbetrachtung der Umweltbelastung von Gebäuden, dem noch wenig Rechnung getragen wird. Rezyklierte, lokale und nachwachsende Baustoffe wirken positiv auf diese Bilanz aus. Und hier kann Holz mit alle seinen bekannten ökologischen, ökonomischen und sozialen Vorteilen punkten. Insbesondere spielt auch der Aspekt, dass die Waldwirtschaft in der Schweiz und umliegenden Ländern genug Holz-Rohstoff bereitstellen kann, der Holzbaubranche in die Karten. Betrachtet man den Verbrauch der «grauen Energie» über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden, relativiert sich mit zunehmender Nutzungsdauer einer Immobilie der Anteil für die Erstellung aufgewendeter Primärenergie. So gesehen, können energetische Sanierung von bestehenden Bauten die Gesamtbilanz eines Gebäudes, über die gesamte Lebenszeit hinweggesehen, erheblich verbessern.
Zweite Chance: Durchgängig digital realisierte Projekte senken Kosten und Risiken
Die Baubranche erwirtschaftet rund 60 Milliarden Franken. Davon werden rund 5 Milliarden für Fehlerbehebungen ausgegeben. Es werden also rund 8 Prozent der Gesamtinvestitionen allein für die Behebung von Baumängel ausgegeben. Die kleingewerblich organisierte und fragmentierte Baubranche mit ihren entsprechend vielen Schnittstellen erhöht die Komplexität bei der Planung und Realisation von Bauprojekten und erhöht damit auch die Gefahr von Fehlern. Insgesamt steigen also die Erstellungskosten und sinkt gleichzeitig die Ausführungsqualität.
Hier bietet die fortschreitende Digitalisierung adäquate Lösungen. Dank dem Einsatz neuartiger Technologien können nicht nur Produktivität und Nachhaltigkeit gesteigert werden – auch die Qualität wird massgeblich verbessert. Durch die digitale Zusammenarbeit mit «Building Information Modelling» (BIM) in interdisziplinären Teams und am selben Datenmodell aller am Bau beteiligten Gewerke werden mit Kollisionsprüfungen Planungsfehler vermieden. Aber BIM ist mehr als nur ein 3D-Modell: Durchgängig digitale Daten, von der Planung bis zur Baustelle, sind integriert und stehen alle Beteiligten zur Verfügung. Der komplexe Bauprozess wird so anschaulich dargestellt. Die Digitalisierung erhöht also die Transparenz über alle Stufen und hilft, die Gebäude insgesamt und über den Betrieb hinaus nachhaltiger zu realisieren. Denn auch für die Verbesserung der Energieeffizienz hat BIM einen wichtigen Stellenwert. So ist das digitale Datenmodell ist ein wichtiger Baustein im energieeffizienten Lebenszyklus von Gebäuden.
Aber bei aller Euphorie gilt es achtsam zu sein: Denn es besteht die Gefahr, dass die Schere zwischen grossen und kleinen Betrieben weiter auseinander geht. Die Grossen können in die Digitalisierung investieren und damit effizienter planen und produzieren, währenddem die kleinen Handwerksbetriebe mit dieser Entwicklung nur schwer Schritt halten können. Es ist also entscheidend, dass alle Beteiligten, über die gesamte Wertschöpfungskette involviert werden und sich vernetzen. Hier ist der Holzbau prädestiniert: Der hohe Vorfertigungsgrad kombiniert mit den standardisierten Prozessen und verschiedenen Konstruktions- und Bausystemen bieten die optimale Vorlage für durchgängig digital aufbereitete Prozesse – bis hin zur Baustellenlogistik.
Fazit: Holz wird (weiter) gewinnen.
Die aktuell wirtschaftlichen und gesellschaftlich fragilen Zeiten sind auf vielen Ebenen herausfordernd. Und der bedingungslos einzuschreitende Weg hin zu ressourcenschonendem wirtschaften wird das Bauen weiter nachhaltig verändern.
Hier kann und wird der Holzbau Vorreiter sein. Die Grundlagen dafür sind rundum intakt: Wir arbeiten mit einem hochleistungsfähigen, natürlichen und lokal nachwachsenden Baustoff, der für alle Bauvorhaben gewinnbringend eingesetzt werden kann. Der Einsatz von vollautomatischen Systemen und Robotik, jeweils im Rahmen der technischen Möglichkeiten, machen die Produktion effektiver und damit wirtschaftlicher. Im Gleichschritt begünstigen angepasste Baunormen weitere Produktinnovationen wie die Kombination von verschiedenen Holzarten mit neuartiger Verleimungstechnik oder den Einsatz von Holz-Beton-Verbund-Systemen. So werden immer leistungsfähigere Tragwerkteile entwickelt. Mit der Kombination von verschiedenen, auch rezyklierten, Baustoffen werden in Zukunft weitere hybride und faserverstärkte Bauteile für eine noch effizientere und resistentere Bauweise eingesetzt werden. Und die Möglichkeit der digitalen Kollaboration gepaart mit der industriellen Produktion bietet uns weiteres Potential um Teil der Lösung in vielen, dringenden Problemstellungen zu sein.
Hintergrund dieses Beitrags
Ich habe an der 53. S-WIN-Tagung im Oktober 2022 in Weinfelden ein Referat zum Thema «Argumente des Holzbaus und deren Umsetzung zum Erfolg» gehalten. Dieser Blogbeitrag basiert auf diesem Referat. Wir dürfen den gekürzten und aktualisierten Beitrag freundlicherweise hier publizieren. Der gesamte Text ist im Tagungsband abgedruckt worden ist (S. 74-77).
Tagungsband 53. S-WIN-Tagung (PDF, 104 Seiten)
S-WIN - Das Netzwerk für innovative Holztechnologien zur Dekarbonisierung der Gesellschaft
Fussnoten
(2) Bundesamt für Statistik BFS Medienmitteilung
(3) Bundesamt für Raumentwicklung ARE Bauzonenstatistik
(4) Raiffeisen: Sanierungsstau
Copyright Headerbild: David Dias, Dideco
Kommentare (0)