Zwei lange, geknickte Gebäudezeilen mit 110 Wohnungen zelebrieren ihre Zusammengehörigkeit in der absoluten Harmonie mit dem Gelände. Dieser holzgewordenen Wohnidylle in St. Gallen ging indessen ein harter Wettbewerb voraus. Das bisher grösste TU-Projekt von Renggli hat mitten in der Corona-Zeit allen Beteiligten viel abverlangt – ein SNBS-Platin-Label gibt’s nicht umsonst.

Luftaufnahme der Überbauung mit den zwei Gebäudezeilen mit gut sichtbarem Binnenraum als Quartierplatz dazwischen
SNBS Platin: Als erste Wohnüberbauung in Holz wurde die Überbauung Waldacker mit dem höchsten SNBS-Label ausgezeichnet.

Nicht weniger als 25 Einreichungen verzeichnete die Ausschreibung der Ortsbürgergemeinde St. Gallen, die den Boden im Baurecht zur Verfügung stellte. Den ersten Rang holte sich eine Bietergemeinschaft mit Previs Vorsorge, Burkhalter Sumi Architekten GmbH (heute Oxid Architektur GmbH), Appert Zwahlen Partner (Landschaftsarchitekten), SMC Management Contractors SA (heute Renggli International AG) und Renggli. Die Aufgabe hinter der Ausschreibung der Überbauung Waldacker bestand darin, mit einem nachhaltigen Bau Mietzinsen zu generieren, die zur Förderung kultureller und gemeinnütziger Leistungen genutzt würden. Mit Previs Vorsorge fanden die Initianten eine Investorin, die hinter das Wort Nachhaltigkeit ein besonderes Ausrufezeichen setzen wollte. Das SNBS-Label (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) war das erklärte Ziel und der Massstab für Planung und Realisation.

Tabea Westarp mit Sohn Sanael, Mieterin
Ich schätze die lebhafte Atmosphäre mit den vielen jungen Familien sehr. Tabea Westarp mit Sohn Sanael, Mieterin
Überbauung Waldacker von der Zufahrtsstrasse her gesehen
Nachbarschaft: Das Konzept von Oxid Architektur begünstigt nachbarschaftliche Begegnungen und Gespräche.
Überbauung Waldacker von der Zufahrtsstrasse her gesehen mit den markanten offenen Treppenhäusern und Laubengängen

Bei der SNBS-Zertifizierung geht es darum, den positiven Effekt eines Gebäudes auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zu bewerten. Dass die Überbauung Waldacker als erste Wohnüberbauung in Holz mit dem Platin-Label gleich die höchste der drei Stufen erreicht hat, ist für Christoph Stäger, flammender Verfechter der Nachhaltigkeitsstrategie von Previs Vorsorge, ein besonderer Stolz.

Mit einer guten Durchmischung der Wohnungsgrössen von 1.5- bis 5.5-Zimmer-Wohnungen und Preisen auf tieferem bis mittlerem Niveau ist die Nachhaltigkeit auch in der Nachfrage gesichert. Die 110 Wohnungen waren bereits vor dem Erstbezug zu 100 % vermietet.

Christoph Stäger, Portfoliomanagement Immobilien Previs Vorsorge
Der Waldacker ist für uns ein Referenzobjekt, an dem wir uns auch für künftige Projekte orientieren werden. Christoph Stäger, Portfoliomanagement Immobilien Previs Vorsorge

Nebst ihrer topografischen Einbettung sollen sich gemäss Oxid Architektur die beiden Gebäudezeilen auch ins soziale Gefüge der Mietenden wohlgefällig einfügen. Die Gebäude stehen darum faktisch nicht hintereinander, sondern einander zugewandt. Sie bilden in ihrer Mitte einen lebendigen Quartierplatz, der ganz dem nachbarschaftlichen Austausch dienen soll. Der Laubengang, der die Wohnungen erschliesst, erweitert den gemeinsamen Raum und fördert Begegnungen und Gespräche.

Durchgestecktes Wohnen mit Sicht in Wohn-, Kinder- und Elternschlafzimmer
Durchgestecktes Wohnen mit Sicht in Wohn-, Kinder- und Elternschlafzimmer
Küche mit Essraum und Verbindungs ins obere Geschoss der Maisonettewohnung
Küche mit Essraum und Verbindungs ins obere Geschoss der Maisonettewohnung
Laubengang mit Sicht auf den Binnenraum mit Spielplatz
Laubengang als Balkon und für den gemeinsamen, nachbarschaftlichen Austausch

Die Wohnungen sind mit Ausnahme der Kleinwohnungen im EG durchgesteckt; das heisst, der Wohnraum reicht von Fassade zu Fassade. Beidseitig ist ein Aussenraum vorgelagert: Auf der Rückseite ist das ein eingezogener Wintergarten mit Privatsphäre, auf der Innenseite eine Terrassennische mit offenem Bezug zum Laubengang. Wer sich hier aufhält, partizipiert gewissermassen am Quartierleben und geniesst das nachbarschaftliche Ambiente. Der durchgesteckte Grundriss gefällt auch deshalb, weil er auf beiden Fassadenseiten Fenster vorsieht, die das Tageslicht einfangen.

Yves Schihin, Architekt Oxid Architektur GmbH
Das Projekt war geprägt vom gemeinsamen Willen, zusammen das bestmögliche Resultat zu erreichen. Yves Schihin, Architekt Oxid Architektur GmbH
Verena Egli, Projektleiterin Renggli AG
Das ist ein Über-Holzbau – der schönste Holzbau, den ich kenne. Verena Egli, Projektleiterin Renggli AG
Aussenansicht mit Terrassen, grauer Holzfassade und türkisem Sonnenschutz
Vorfertigung: Repetitive Elemente erlauben industrielle Prozesse mit hoher Kostenund Zeiteffizienz in der Vorfertigung.

Da Renggli für die Überbauung Waldacker die Verantwortung als TU trug, war es an uns, den engen Terminplan und die hohen Qualitätsansprüche organisatorisch zu bewältigen. Zu schaffen war es nur mit einer ausserordentlichen Teamleistung und persönlichem Engagement aller beteiligten Fachkräfte. Für das Montageteam zum Beispiel galt es, neben dem Termindruck auch die Corona-Restriktionen zu stemmen. Für die junge Mannschaft, die den Tag normalerweise mit einem gemeinsamen Essen im Restaurant ausklingen lässt, hiess das: Mittagessen im Baustellencontainer, Abendessen selbst kochen in der Unterkunft, nur zu fünft in einem Raum, Abstand und Maskenpflicht – und das während acht Monaten. Dazu das Damoklesschwert über ihren Köpfen: Wäre es zu Verzögerungen gekommen, hätte Schadenersatz gedroht. Dem Zusammenhalt tat die Situation jedoch keinen Abbruch – ganz im Gegenteil.

Die Überbauung Waldacker ist in verschiedener Hinsicht ein Leuchtturmprojekt für den Schweizer Holzbau – nicht nur, weil sie das SNBS-Platin-Zertifikat erhalten hat. Die beiden Bauzeilen sind auch ein Beispiel dafür, wie im Holzbau grosse Bauvolumen ökonomisch und schnell realisiert werden können. In der Längsrichtung ist die Anordnung der Elemente im immer gleichen Abstand von 3,80 Meter gehalten. Durch diese Repetition wurden in der Vorfabrikation präzise, industrielle Fertigungsprozesse möglich, die den Holzbau auf ein hochproduktives Leistungsniveau heben. Davon profitiert haben auch die Anwohnenden der angrenzenden älteren Wohnsiedlung, die nur eine kurze Bauzeit zu erdulden hatten. Auch aus Rücksicht auf diese Siedlung wurden die beiden Baukörper so in die Landschaft positioniert, dass sie die Aussicht der Anwohnenden nicht beeinträchtigt.

Wirtschaftlich interessant ist auch der Einsatz von Holz für die Erschliessungsgalerien und die Balkone. In den neuen Normen der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF für bis zu sechsgeschossige Bauten ist die Brandschutzverkleidung bei entsprechenden Brandschutzkonzepten nicht mehr vorgeschrieben. Diese zwei mehrgeschossigen Holzbauten zeigen, wie das geht.

Des Weiteren markiert die Überbauung auch konsequent die Maxime, menschlichen Lebensraum nicht an Autos zu verschwenden. Alle 85 Parkplätze inkl. Besucherparkplätzen befinden sich in der Tiefgarage, die zusammen mit dem Keller den Gebäudesockel bildet. Nach diesem Fundament aus Ortbeton übernimmt das rationelle Holzrahmengerüst die tragende Rolle, wunderschön eingekleidet in eine vorverwitterte Holzschalung mit raumhohen Fenstern. Ein Referenzprojekt auch fürs Auge.

Details zum Bauprojekt

BaurechtgeberOrtsbürgergemeinde St. Gallen
InvestorinPrevis Vorsorge
ArchitekturOxid Architektur GmbH (vormals Burkhalter Sumi Architekten GmbH)
WettbewerbOffener Studienauftrag
1. Rang
Leistungen Renggli AG beim Wettbewerb: Projektmanagement, Kostenmanagement und Engineering Holzbau
Leistungen Renggli AG: Totalunternehmung und Holzbau
GeneralplanerinRenggli International AG / Renggli AG
Holzbau-Engineering: Statik/Bausystem, BrandschutzRenggli AG
BauleitungLBM Partner AG
Bauzeit2020 – 2022
BaustandardSNBS-Label Stufe Platin
KonstruktionHolzsystembau
FassadeGeschlossene, hinterlüftete, vertikale und vorverwitterte Holzschalung aus Fichte
NutzungZwei Mehrfamilienhäuser mit total 110 Mietwohnungen und einem Gemeinschaftsraum

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Über den Autor

Porträtfoto Texter Markus Gabriel
Markus Gabriel

Markus Gabriel ist Inhaber und Creative Director bei der Agentur Angelink. Er schreibt seit Jahren Texte für das Renggli-Kundenmagazin «Faktor Raum» und den Fachblog.

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